Unternehmen, die unter das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) fallen, sind verpflichtet, Meldekanäle einzurichten, über welche die eigenen Beschäftigten Rechtsverstöße melden können. Diese Meldekanäle werden von einer „internen Meldestelle“ betrieben und müssen Meldungen in mündlicher oder in Textform ermöglichen.
Keine Verpflichtung zur Bearbeitung anonymer Meldungen
Der Gesetzgeber hatte das HinSchG nach langem Streit Anfang Juli 2023 verabschiedet. Ein zentraler Streitpunkt war, ob es eine Pflicht geben sollte, auch die Abgabe anonymer Meldungen zu ermöglichen. Von dieser Verpflichtung wurde auf Basis eines Vorschlags des Vermittlungsausschusses abgesehen (weitere Einzelheiten hierzu: Deutscher Bundestag – Einigung beim Hinweisgeberschutz im Vermittlungsausschuss erzielt).
Daher besteht für Unternehmen (derzeit) keine Verpflichtung, die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen.
In der Konsequenz bedeutet dies, dass sich grundsätzlich auch E-Mail-Postfächer oder Hotlines als Meldekanäle eignen. Digitale Hinweisgebersysteme, welche über Verschlüsselungsmechanismen und Verfahren zur Verschleierung der IP-Adresse mit einer Anonymisierung werben, sind (rechtlich gesehen) nicht erforderlich.
Wieso dennoch anonyme Meldungen zulassen?
Unternehmen, die sich dazu entscheiden, keine anonymen Meldungen zuzulassen, begeben sich in ein Risiko: Gemäß dem Hinweisgeberschutzgesetz sind nicht nur Unternehmen verpflichtet, Meldekanäle einzurichten, sondern auch der Bund und die Länder (sogenannte „externe Meldestellen“). Beispielsweise wird eine externe Meldestelle des Bundes beim Bundesamt für Justiz angesiedelt. Weitere externe Meldestellen werden u.a. durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und das Bundeskartellamt eingerichtet.
Dem Hinweisgeber steht dabei ein gleichstufiges Wahlrecht zu, ob er sich an die interne Meldestelle des eigenen Arbeitgebers oder an eine externe Meldestelle richtet. In beiden Fällen genießt der Hinweisgeber den Schutz des HinSchG.
In der Praxis bedeutet das also: Schafft der Beschäftigungsgeber bei seinen Beschäftigten nicht ausreichend Vertrauen in die eigene interne Meldestelle, so könnte sich der Beschäftigte dazu ermutigt fühlen, sich an eine externe Meldestelle zu wenden, um seine Identität nicht preisgeben zu müssen. Dann würde der Sachverhalt aus der Kontrollsphäre des Unternehmens gelangen und könnte zu einem behördlichen Ermittlungsverfahren (z.B. durch das Bundeskartellamt oder die Staatsanwaltschaft) führen.
Das sollte in jedem Fall vermieden werden. Daher ist es für die Unternehmen zielführend, das eigene interne Meldesystem für die Beschäftigten so attraktiv wie möglich zu gestalten und Vertrauen in die eigenen Meldekanäle zu schaffen. Dafür ist es jedoch unabdingbar, auch anonyme Meldungen zuzulassen. Denn die Beschäftigten werden das interne Meldesystem des eigenen Arbeitgebers in der Regel nicht in Anspruch nehmen, wenn die Anonymität nicht gewähreistet ist.
Die interne Meldestelle auslagern
Ein weiterer wichtiger Aspekt, um das Vertrauen der Beschäftigten in das eigene interne Meldesystem zu stärken, ist die Auslagerung der Funktion der internen Meldestelle auf eine externe Vertrauensperson. Hierzu verweisen wir auf unseren Blogbeitrag: „Hinweisgeberschutzgesetz – Darum sollten Sie die interne Meldestelle auslagern“.